Eine zentrale Definition von Yoga

Patanjalis Yoga Sutras („Yoga Verse“) sind einer der zentralen Quellentexte des Yoga. Wie so vieles in der indischen Geschichte sind sie historisch nicht ganz klar eingrenzbar und werden auf die Zeit zwischen dem 2. Jh. vor und dem 4 Jh. nach Christi eingeschätzt.

Dennoch stellen sie insbesondere für die Wahrnehmung des Yoga im Westen eines der Hauptwerke dar. Patanjalis Ausführungen sind das Hauptwerk, wenn es um die Beschreibung insbesondere des Raja Yoga, also des geistigen Yogas geht.

Gleich in einem der ersten Verse liefert Patanjali eine bedeutungsvolle Beschreibung des Yoga:

 

I, 2
yogash chitta vrtti nirodhah

„Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen der Wellen des Geistes“

 

Und dies ist eine äußerst bemerkenswerte Ansage!
Statt eines „Höher, schneller, weiter!“, statt eines Immer-mehr-und-mehr, statt eines Streben nach imer mehr Leistung, Wachstum und noch mehr Gigahertz sagt jetzt jemand: Fahr die Wellen runter!

Und macht das Versprechen: Das kann ein Gewinn sein – weniger kann mehr sein! Eröffnet eine Einladung: Probier das aus! Wie ist das, wenn du dich darin ÜBST, runterzufahren? In deinem Alltag, und in deinem Üben mit dir selbst.

Für mich liegt darin eine Aufforderung, in deinem Yoga-Üben, oder auch in alltäglichen Beschäftigungen, zu unterscheiden:
Wenn es dich aufputscht, ist es vielleicht schön – aber kein Yoga! Bspw. Nachrichten schauen / Thriller lesen … – wie geht es dir danach? Sind die Wellen hoch oder flach? Prüfe!
Wenn du merkst, du willst schon wieder sehr viel (schöner aussehen / besser werden / gesund sein …), vielleicht schlagen die Wellen in dir wieder allzu hoch, und dein Vorhaben kann sich ins Gegenteil verkehren, wenn du nicht achtsam bist.

Stattdessen kann Patanjalis Definition eine Art und Weise sein, Yoga zu üben:
So, dass dein Üben Ruhe und Gelassenheit entstehen lässt – oder zulässt. Deine Praxis darf meines Erachtens durchaus aktivierend und anregend sein. Denn auch das hilft dir am Ende, runterzufahren. In der Summe sollte dein Üben beruhigend wirken.

Und nebenbei: Was, wenn es das nicht ist? Habe ich etwas falsch gemacht, wenn dies nicht eintritt?
Nun, wenn du es dir vorgenommen hast, und es dennoch nicht eintritt, dann liegt offensichtlich eine Schwierigkeit darin. Dann hast du nichts falsch gemacht, sondern darfst die Herausforderung anerkennen, die darin liegt: Entspannung ist für die allermeisten Menschen nicht einfach! Achte hierbei wiederum darauf, dass du die Wellen nicht höher schlagen lässt, als es notwendig ist. Nicht nur, dass es schwierig ist, nun beginnst du auch noch, dich dafür zu tadeln! Komm wieder zurück:  yogash chitta vrtti nirodhah – fahr die Wellen runter, sei lieb zu dir!

 

Also was kann man tun?

Da dies in der Praxis also alles längst nicht so einfach ist wie die kurzen, prägnanten Verse im Yogasutra vermuten lassen, braucht es eben den ganzen Weg, den Patanjali beschreibt. Es braucht eben den ganzen Ashtanga Yoga, den Achtgliedrigen Pfad. Patanjali hält darin viele weitere wertvolle Hilfsmittel parat, z.B. den Hinweis:

Übung und Loslösung sind die Mittel,
um die Bewegungen des Geistes zur Ruhe zu bringen
Yoga Sutra I, 12

Abhyasa (Übung) und Vairagya (Loslösung) – das bedeutet etwas tun, und etwas lassen. „Ha“ und „Tha“, wie es im Hathayoga gerne heisst, Sonne und Mond, Aktivität und Pause, Anstrengung und Entspannung. Wiederum eine gewisses Streben, ein aktives Üben. Und gleichzeitig ein Loslassen, Nicht-Festhalten, immer wieder die Bereitschaft, sich wieder loszulösen. Und dies wiederum hat für mich zwei Wirkebenen:

1. Innerlich: Indem du es dir vornimmst. Dich daran erinnert. Es dir von innen heraus erlaubst.
2. Praktisch: Indem du es übst , und anwendest – sei es auf der Matte, beim Hathayoga, oder in deinem Alltag (beim Karmayoga).

 

Patanjali in der Yogastunde

Wenn du in der Yogastunde bist, oder zuhause für dich übst: Immer mal wieder erinnere dich an yogash chitta vrtti nirodhah!
Prüfe: Stresst es mich grade, oder kann ich mich darin wohlfühlen? Sind die Ansagen des Yogalehrers eigentlich noch im Einklang für mich, mit meinem Wohlgefühl, und mit diesem Prinzip? Oder Schlagen die „Wellen“ in mir schon höher als es eigentlich sein müsste?
Immer wieder: Du darfst von dir selbst ausgehen. Du darfst tief angebunden sein an dein Inneres. Das ist Yoga.

 

Yogastudio Steffen Katz
Jakobstraße 2a
99423 Weimar

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